Marokko


Perfekte Reisetage

Am Dienstag, 7. September gegen Mittag haben wir uns von Martha und ihrer Familie verabschiedet. Wir haben zehn Tage bei ihr verbracht. Ganz schön lange, wenn man bedenkt, wie weit unsere Reise noch führt. Wir haben bis zuletzt auf das Angola-Visum gehofft und darauf gewartet. Auch am vorletzten Tag in Rabat stellte man uns in Aussicht, dass es vielleicht (…) klappen könnte, aber versprechen könne man uns nichts und wir müssten wohl bis 14 Tage warten.

Der Abschied von Martha und Familie war ein bisschen traurig. Wir haben die Zeit bei ihr sehr genossen. Auch die Kids profitierten von einem grossen Haus, Fernsehen rund um die Uhr, eine Piscine im Garten étc. Und doch – weiter geht’s! Gegen Mittag verliessen wir Rabat in Richtung Oalidia – ein nettes Fischerdörfchen am Atlantik. Im Campingführer haben wir gelesen, dass der vorhandene Platz alles andere als empfehlenswert sei. Also haben wir „wild“ gecampt, gleich hinter einer Düne am Strand. Bevor wir uns installierten gingen wir was trinken. Diese Episode findet ihr unter der Rubrik „Witziges“. Ein erfrischendes Bad im Meer durfte natürlich auch nicht fehlen. So nah am Meer und einen Monat unterwegs – das musste gefeiert werden! Also haben wir uns ein feudales Nachtessen im Restaurant gegönnt. Kleine Randbemerkung – unser Ein-Monatiges-Unterwegssein haben wir erst am kommenden Tag realisiert. Zum Glück haben wir es trotzdem gefeiert, grins!

Was isst man am Meer? Schnipo ist nicht, also ran an den Fisch und die Meerfrüchte! Erich erhielt eine Riesenplatte mit Meerfrüchten. Anstatt Besteck gabs so lustige Sachen wie Schraubenzieher, Beitel und eine Art Nussknacker… Yelena und Leo bestellten Tintenfisch, das kannten sie schon und haben es gerne. Bei Lara und mir wurde es dann schwieriger. Also einfach mal Fisch und schauen… Als kleine Aufmerksamkeit des Hauses erhielten wir vorab eine Suppe. Weitere Aufmerksamkeit des Hauses: Nach der Suppe kam der Kellner mit einem Riesenteller Muscheln. Schluck. Augen zu und durch. Und – es schmeckte wirklich gut! Nur Lara fand die glitschigen Dinger nicht so toll. Nach all den Aufmerksamkeiten wären wir eigentlich schon satt gewesen. Nun hiess es, den Fisch attackieren. Es war so ein Riesenteil – alles war noch dran. Der Fisch hatte sogar Zähne. Dem folgten Grundsatzdiskussionen: Haben denn alle Fische Zähne, und falls ja – sind die immer so gross? Ich zerlegte das Ding alles andere als Fachgerecht und es schmeckte trotzdem gut. Sogar Lara hat den ihrigen ganz aufgeputzt. Erich sprach die ganze Zeit kein Wort. Der hatte wieder mal Werkzeug in der Hand. Diesmal nicht, um am Schtudegumper rumzuschrauben sondern um eben seine verschiedenen Tierchen zu verspeisen.

Pappsatt genossen Erich und ich den restlichen Wein. Ja – es gab Wein in diesem Restaurant, trotz Ramadan!!! Ach, es war herrlich!

Da die Kids so brav gegessen haben, durften sie ein Dessert. Leo hat auf der Reise Crêpes entdeckt. Das war auch die Empfehlung des Hauses. Schön angerichtet und ziemlich gezuckert stürzten sich die Kleinen darauf. Lara verlangte von mir, dass ich dem Kellner übersetzen solle, dass sie in diesem Restaurant den besten Koch der Welt hätten. Der war wohl von dem Kompliment so dermassen hin und weg – das Resultat war eine weitere grosse Platte mit Crêpes. Kleine Aufmerksamkeit des Hauses… Und zu guter Letzt: eine grosse Schüssel mit Trauben. Ebenfalls – ja, kleine Aufmerksamkeit…  Ebenso die zweite Runde Café. Die abschliessende Rechnung war dann für Marokkanische Verhältnisse wohl ein bisschen teuer, für uns aber doch sehr günstig. Der ganze Spass kostet ca. 100 Franken. Leo wollte am nächsten Tag wieder dahin, begriff dann aber, dass wir nun doch ein wenig Kilometer unter die Räder bringen müssen.

Frohgemut und guter Laune wollten wir am Mittwochmorgen eigentlich früh starten. Nur – der Sand unter der Düne war dann für unseren Schtudegumper einfach nicht zu schaffen. Wir steckten fest. Wer hat gesagt, man solle vielleicht nicht so weit in den Sand hinein fahren? Und wer wollte es dennoch? Ich überlasse euch die Überlegung, wer was gesagt hat!

Eine gute Stunde später und mit halb so viel Luft in den Pneus hat Erich unser Gefährt wieder auf die Strasse gebracht. Ich war in der Zwischenzeit am Strand, denn ich wollte meine gute Laune irgendwie erhalten…

Später als geplant fuhren wir in Richtung Essaouira. An der ersten Tankstelle bekamen die Pneus wieder Luft, wenn auch weniger als bisher. Die Strassen sind jetzt schon ein wenig buckliger und damit es besser federe müsse weniger Luft rein. So der Cheffahrer.

Da unser GPS den Hitzetod ereilte, verfuhren wir uns ein wenig – sahen dafür aber schöne Landstriche, die Normaltouris nicht immer sehen. Der Fahrtag war recht lange. Also begannen Leo und ich Esel zu zählen. Er auf der linken Seite der Strasse, ich auf der rechten. Nach Esel 138 stellte ich fest, das Leo bescheisst und auch noch Kühe, Ziegen und Schafe zählt – er hatte immer so 50 Tiere mehr auf dem Zähler als ich. Lustig war‘s dennoch und die Zeit vergeht so ein wenig schneller. Die Mädels haben sich hinten verkrochen und spielten mit ihren Puppen.

Der angepeilte Campingplatz haben wir zwar verfehlt, dafür aber einen anderen schönen gefunden: „Le Calme“ – der Ruhige. Und das war er dann auch! Sogar einen Riesenpool hatte es. Schade nur, dass es die ganze Zeit sehr stark windete. Während Erich wieder mal Öl kontrolliert, Bremsen anschaut und sein 4. Kind betreut, machte ich mich ans Nachtessen zubereiten. Am Nachmittag habe ich bei einem Strassenhändler einen Kürbis, Zwiebeln, Tomaten und eine Melone erstanden. Für 5 Franken… Es gab also ein Kürbissüppchen, Knoblauchbrot ohne Knoblauch (…) und zum Dessert einen Fruchtsalat. Seit Frankreich habe ich noch eine Dose Schlagrahm im Kühlschrank und die musste endlich mal aufgebraucht werden. Erich und ich genehmigten uns dann noch ein „Schori-Ggaffi“ – hmmmm lecker – danke an Christa und Linus nochmal für den feinen Aprikosenschnaps!!

Dann war Schule angesagt. Da es hier aber schon recht früh dunkel wird und wir keine Lust hatten, das ganze Schulzeug hervorzukramen gab es eine Lektion Kopfrechnen. Leo kämpft im Moment mit der 3-er Reihe des kleinen Einmaleins. Das 4x3 und 3x4 dasselbe Resultat geben könnte – so weit ist er noch nicht…

Am nächsten Morgen – Donnerstag – starteten wir Richtung Tiznit. Die Strecke führte zuerst durch eine wunderschöne Strecke im Anti-Atlas. Wieso der so heisst, habe ich leider noch nicht herausgefunden. Hügel rauf, Hügel runter bei angenehmen 34 Grad. Ja, 34 Grad sind mittlerweile angenehm!! Malerische Städtchen, immer noch viele Esel, Bauern die auf dem Feld arbeiten, Kinder die am Strassenrand das geerntete verkaufen wollen – es war wunderschön! Auf einem Markt erstand ich leckeres Fladenbrot und ein Kilo (!) Mandeln als Reiseproviant. Und dann plötzlich – wieder das Meer! Kilometerlange Sandstrände wechseln sich ab mit schroffen Klippen. Richtig schön zum Schauen. An einem dieser Strände legten wir dann eine kurze Rast ein. Erich, Lara und Leo nahmen ein erfrischendes Bad währen Yelena und ich ein wenig am Strand spazierten. Leider hat Erich da seine Sonnenbrille verloren. Auch nach langem Suchen – unter Mithilfe von ein paar Jungs aus dem Dorf – unauffindbar. Sehr wahrscheinlich hat er sie nicht abgelegt, als er ins Meer ging. Die Wellen sind recht hoch und eine hat ihn von den Füssen geholt. Nun denn. Weiter gings Richtung Agadir. Blöderweise haben wir die Umfahrung der grossen Stadt nicht gesehen und befanden uns plötzlich mittendrin! Über eine Stunde Stopp and go. Kommt noch hinzu, dass entweder der König oder sonst jemand Wichtiges grad in der Stadt war. Wir sahen hunderte (!) Polizisten. Dann wurden wir plötzlich von der Hauptstrasse auf eine Nebenstrasse dirigiert. Wir durften nicht mehr da lang fahren, wo wir eigentlich hinsollten. Also fuhren wir eine Weile – aber die Umfahrung war natürlich nicht weiter ausgeschildert und plötzlich hatte es auch keine Polizisten mehr, die uns den Weg wiesen. Also auf gut Glück einfach ungefähr peilen und tatsächlich – wir fanden die richtige Strasse wieder.

Die letzten 100 Km nach Tiznit waren dann zum Glück recht schnell erledigt. Der Campingplatz ist mitten in der Stadt und dementsprechend laut. Gleich nebenan hat es eine Riesenpiscine und die Kids warteten nur noch darauf, sich ins Kühle nass zu stürzen. Daraus wurde leider nichts. Ramadan. Wieder einmal. Hingegen hatte es direkt vis-à-vis ein kleines Einkaufszentrum und anstatt kühles Nass gab’s halt kaltes Cola! Ahja – und Rindfleisch! Wir starteten einen neuen Grillversuch zum Z‘Nacht – diesmal erfolgreich ;-)

Plötzlich gingen überall in der Stadt die Sirenen los. Wir dachten uns schon, dass das sicher wieder irgendein Ramadan-Ding sein muss. Wir dachten uns nichts weiter dabei und machten uns bereit zur Shoppingtour in die Medina. Schliesslich mussten wir eine Sonnenbrille kaufen gehen. Hei, war das ein Gewühl! Unglaublich viele Leute tummelten sich in den engen Gassen. Wir hatten alle Hände voll zu tun, unsere Kids nicht zu verlieren. Mittlerweile haben wir darin schon ziemlich Übung. Die Kinder übrigens auch. Sogar Leo weiss inzwischen, wann er herumhopsen kann, und wann er wirklich bei uns bleiben MUSS!

Irgendwann fanden wir dann die begehrten Sonnenbrillen! Die waren so toll! Wir fanden Gucci, Versace und Ray Ban. Selbstverständlich alle echt. Blöderweise sind die Echtheitszertifikate grad ausgegangen – aber ehrlich – während dem Ramadan darf man nicht lügen! Also haben wir für Erich, Yelena und für mich je eine Brille gekauft. Für gute 12 Franken ;-) Yelena sieht mit ihrer Gucci übrigens aus wie Lady Gaga und sie ist total happy damit. Jetzt will sie noch Nagellack organisieren um den Look zu komplettieren…

Freitagmorgen ganz ungewohnte Töne. Sonst ist es am Morgen immer sehr ruhig – die Marokkaner müssen ja irgendwann schlafen, wenn sie die ganze Nacht essen und trinken. Heute aber – schon früh Radau. Wir hatten uns am Vorabend entschieden, einen Ruhetag einzulegen und von der tollen Piscine zu profitieren. Erich fühlte sich zudem nicht so fit – er hat wohl zu viele Mandeln gegessen. Auf alle Fälle wollte er ausschlafen und es ruhig angehen. Also bereitete ich das Frühstück und genoss einen Moment Ruhe. Dauert nicht lange, da kommt ein neugieriger Besucher – wir sind mit unserem Gefährt halt schon nicht wirklich diskret und immer wollen alle wissen woher und wohin. Dieser Franzose stellte die üblichen Fragen und irgendwann im Gespräch erwähnt er, dass heute eh alles geschlossen sei, da ja der Ramadan jetzt vorüber ist. Ahja? Ja – ob ich denn die Sirenen gestern nicht gehört hätte, und man wisse doch étc. Blablabla. Toll. Vorsichtiges Nachfragen beim Nachtwärter bestätigt – keine Piscine heute! Grrrrr! Also Familie aufwecken und Familienrat einberufen. Schnell war klar, dass wir nicht einen Tag ins leere Warten wollen, sondern weiterfahren.

Erich fühlte sich auch wieder einigermassen und so starteten wir viel später als üblich, nämlich erst gegen halb eins auf unsere Tagesetappe nach Tan-Tan. Nein, nicht Tam-Tam – der Ort heisst wirklich so. Hier haben wir nun ein nettes Plätzchen gefunden und wollen nach vier Fahrtagen wieder einen Ruhetag einlegen. In kurzer Zeit haben wir gut 1‘200 km geschafft. Das klingt eigentlich nach wenig – mit einem PW verglichen. Aber mit dem Schtudegumper, der Maximum 85 km/h schafft, ist es eine ganze Menge. Von den Strassen wollen wir ja gar nicht mal reden ;-)

Wir rechnen jetzt noch mit 3 bis 4 Etappen, dann sollten wir an der Grenze zu Mauretanien sein. Habe heute ein Schild gesehen: Nouakchott (Hauptstadt Mauretanien) 1‘850 km. Boah. Mag gar nicht daran denken, wie weit das ist. Die Beste Taktik ist nach wie vor: Die Tage nehmen, wie sie kommen!




Witziges:

Un café et un verre d’eau, s’il vous plaît

Wir sitzen in einer tollen Beiz – direkt am Strand. Aschenbecher auf dem Tisch erfreuen des Rauchers Herz – der Strand ist zwei Meter entfernt, dies wiederum freut die Kids. Gutgelaunt warten wir auf den Kellner. Erich ist der Boss (ich kann ja diesen Arabern bestellen, was ich will – die schauen immer nur Erich an, ob er denn das okei gibt, wenn das Frauchen was will. Blöde Typen!) Also. Erich gibt die Bestellung auf: 1 Mineralwasser, 3 Cola, ein Café und ein Glas Wasser bitte. Der Kellner nickt, „Oui Monsieur“ schaut ein bisschen komisch und geht. Ein paar Minuten später bringt er das gewünschte. Anstatt des Glas Wasser trabt er mit einem kleinen Inox-Kännchen mit heissem Wasser an. Erich: „Non, non – de l’eau froide pour boire!“ „Ah. Oui Monsieur“. Verschwindet und wiederum ein paar Minuten später kommt er zurück mit einem kleinen Glas – MILCH. Erich: „Merci beaucoup Monsieur“. Wir anderen lachen, er stürzt das Gläschen Milch mit Todesverachtung hinunter. Er wollte den armen Typen nicht noch weiter in der Gegend herumscheuchen und verzichtete halt auf sein Wasser…….