Äthiopien - Sudan

22. Mai: Addis  - Goha Tsiyon

Heute ging die Abreise von Addis eher turbulent zu und her. Die Tage hier in Äthiopiens Hauptstadt sind wie im Flug vergangen und irgendwie blieb nie richtig Zeit, um die Homepage zu aktualisieren. Mir wäre es eigentlich egal gewesen, noch einen Tag anzuhängen, aber unser Visum läuft nur noch bis zum 30. Mai und wir haben ja noch nicht so viel von diesem tollen Land gesehen. Also, ran an den Computer und schnell erledigen, was zu erledigen ist.

Derweil machen Erich und die Kinder den Lastwagen abfahrbereit. Gestern Abend haben wir bei Wim noch Wasser tanken dürfen und sind sehr froh und dankbar dafür. Sudan wird ein trockenes Land und wir haben absolut keine Ahnung, wie die Versorgungslage für Süsswasser sein wird. Nun haben wir wieder 350 Liter Brauchwasser und 60 Liter Trinkwasser. Das sollte eigentlich für eine Weile reichen…

Dann haben wir wieder einmal eine Familienabstimmung: Es gibt zwei Wege nordwärts, einmal die direkte Linie und einmal über Lalibela, zu den berühmten Felskirchen. Erich ist der einzige, der sich Kirchen ansehen will und wird gnadenlos überstimmt. Also nehmen wir die direkte Linie über Bahir Dar. Denise und Roland wollen sich die Kirchen nicht entgehen lassen und so verabschieden wir uns von ihnen. Die beiden anderen Schweizer, (Piru ist mittlerweile nach Südafrika geflogen) Adi und Bruno bleiben noch eine Weile hier. Wir werden all unsere Schweizer Freunde sicher wieder sehen irgendwo unterwegs. Haben schliesslich dieselbe Route und ungefähr denselben Zeitrahmen…

Bis wir aus der Hauptstadt hinaus sind ist es schon früher Nachmittag und es regnet wieder einmal in Strömen. Nichts desto trotz ist es wunderschön. Die Strasse ist ein ständiges rauf und runter, mit vielen Kurven. Ausserhalb der Stadt begegnen wir wieder vielen Menschen und werden so oft freundlich gegrüsst!

Am Abend machen wir kurz vor der Schlucht des Blauen Nil im Blue Nile Hotel Halt. Hier können wir den Studi drinnen im Hof parkieren und nehmen uns zwei Hotelzimmer um die sanitären Anlagen benützen zu können. Warmes Wasser zum Duschen hat es selbstverständlich keines dafür einen Fernseher. Wenn es nach den Prioritäten der Kinder geht ist das eh viel wichtiger…

Essen kann man hier nur Injeera und wir lassen das heute mal bleiben und kochen nach langer Zeit wieder mal selber. Erich und ich trinken im Restaurant noch einen feinen Kaffee. Das haben sie hier in Äthiopien definitiv im Griff! Selten habe ich so feinen Kaffee getrunken wie hier in diesem Land!

Plötzlich geht es los mit einem Höllenspektakel! Der Strom ist wieder mal da und schon geht es los mit dem Fernseher in einer abartigen Lautstärke. Das ginge ja noch, ABER, da es wieder mal Strom hat, hat sich der Servierboy wohl gedacht, dass es eine ganz gute Idee sei, den Radio auch noch anzustellen. Wer schlussendlich an Lautstärke gewonnen hat, kann ich nicht schlüssig beantworten. Fakt ist, die beiden Fernbedienungen wurden fleissig hochgedrückt – je nachdem, wer sie grad in die Finger bekam… Wir fliehen also – Erich und Leo in eines der Zimmer, die Mädels ins andere und ich habe mein 1000-Sterne-Bett im Schtudegumper ganz für mich allein ;-)


23. Mai: Goha Tsiyon – Danglo

Ein saublöder Tag! Wir wurden nämlich zum allererstem mal auf unserer Reise beklaut! Und das ging so: (bitte zurücklehnen, Kopfkino einschalten und sich Sandra, Erich, Yelena, Lara und Leo vorstellen)


Frühstück: Im Restaurant (man gönnt sich ja sonst nichts…) alles noch ganz normal. Dann geht’s an die Abreise. Jeder hat so ein Ämtli:

  • Yelena drinnen aufräumen

  • Lara ihr helfen

  • Leo herumstehen und den Clown machen

  • Erich macht Lastwagensachen

  • Sandra bezahlt und muss dringend noch aufs Klo

Sandra muss wirklich dringend und legt das Portemonnaie NICHT an seinen üblichen Platz, sondern legts einfach so in die Fahrerkabine hinein.

Sandra kommt zurück und findet einen fremden Mann IM Schtudegumper, vorne in der Kabine. Mehr bestimmt als freundlich fordert sie ihn auf, sofort zu verschwinden.

Merke: Erich sitzt vorne am Steuer, Leo hüpft draussen herum, Yelena und Lara sind hinten in der Kabine.

Der doch recht rüde angesprochene grinst „No problem, Madam“ und verschwindet.


Das war eigentlich schon alles.


Im Nachhinein muss man sagen: Respekt! Grad jeder Tubbel schafft das nicht, unter den Augen von allen (okei, mehr oder weniger…) so dreist zu klauen.


Wir merken dann zwei Stunden später (ennet der Schlucht und viele, viele Hügel später), dass das Portemonnaie nicht mehr da ist. Wir wollten nämlich ein paar Strassenkindern Orangen abkaufen. Zum Glück hatten wir noch Bargeld im Handschuhfach – sonst wären wir wohl wirklich am Arsch gewesen. Nicht wegen der Orangen… Aber so abgelegen im Äthiopischen Hochland, das ist ohne Bargeld wirklich nicht lustig. (Die Kids machten übrigens das Geschäft des Jahres: ein Kilo Orangen kostet umgerechnet 5 Rappen. Da wir keine kleinen Noten hatten, erhielten sie also 100 Birr, das entspricht 5 Franken. Wir glauben, dass sie nach unserer Abfahrt den Laden geschlossen haben…).

Erich war zuerst extrem stinkig und sauer. In erster Linie auf sich selbst. Aber das bringt alles nichts, der Schaden ist gemacht und ändern können wir daran nichts. Wir überlegen zwar schon, zurück zu fahren und die Polizei einzuschalten. Aber schlussendlich ist es weit zum Fahren und den Typen werden wir im Leben nicht mehr finden. Umso mehr, weil es ja kein Angestellter des Hotels war sondern einfach einer, der da rumlungerte. Geld hatten wir nicht viel drin, alles in allem etwa 50 Franken. Am meisten dauerte mich das Portemonnaie, das haben wir in Zimbabwe gekauft und war aus Straussenleder und wirklich schön. Dann halt noch die Kreditkarten… Und die mussten sofort gesperrt werden!

Bei der Raiffeisen (Master und Maestro) ging alles schmerzlos und schnell.

Aber die Visa. Hui. Das war ein Ghetto! Die Karte läuft auf Erichs Namen und ich durfte meinen Ärger an ihnen erst dann abreagieren, als Erich mich (nach 5 Minuten erklären) als seine Angetraute (… grins…!!!) identifizierte und als Aussagewürdig delegiert hat. Der Typ der „Helpline“ wollte von mir, dass ich ihm die Telefonnummer der Schweizer Botschaft in Khartoum angebe. Tolle Idee. Als total verantwortungsvolle Reisende habe ich selbstverständlich sämtliche Botschaftsnummern sämtlicher Schweizer Botschaften in meinem Handy abgespeichert?

Nein. Habe ich nicht.

Ich hab ihm dann halb-freundlich erklärt, dass er doch vor einem PC sitze, eben mal die Nummer googeln könne und gut ists. Aha. Nein, das könne er nicht. Wieso nicht? Ehm. Das gehe halt nicht.

Ich frage ihn dann, ob er wirklich von mir erwarte, dass ich jetzt 400km in die nächste Stadt fahre, dort nach einem Internetcafé suchen soll, während der Fahrt ohne Halt zu allen Göttern im Universum bete, dass dann grad in dem Moment, in dem Internetcafé auch Strom UND eine Verbindung sei, um ihm die …..VERD… Telefonnummer zu besorgen?

„Aha. Ehm. Losed si Frau Rauber….“ „NEIN! Den jede Minute mit Ihnen kostet mich 4 Franken, machen sie einfach ihren Job!“.

Dann ging es plötzlich schnell und er versicherte mir, dass er die neue Visa an die CH-Botschaft im Sudan senden werde, dass das dann schon irgendwie unbürokratisch gehen werde.

Na bitte. Geht doch!


Irgendwie war der Tag gelaufen. Und es war doch erst 10 Uhr. Die Stimmung war ein bisschen gedrückt als wir weiterfuhren (die Orangen waren ausserdem extrem sauer!) Aber irgendwie… Nach ein paar Stunden haben wir uns alle wieder beruhigt und konnten auch die schöne Landschaft wieder geniessen.

Aber kalt war es! Wir hatten an diesem Tag noch eine Premiere! Wir haben die Heizung eingeschaltet… Das Innenthermometer zeigte nur noch 17 Grad und das in Afrika. Glaubt uns eh niemand!

Die Strecke ist in Tourismussachen eher jungfräulich und es hat nur sehr wenige Hotels. Die meisten fahren wohl in einem Zug direkt nach Bahir Dar durch. Wir haben dann in einem kleinen Kaff ein Hotel gesucht wo wir stehen können. Zimmer hatten sie keine und die sanitären Anlagen waren haarsträubend. Was solls. Wir haben unser eigenes Badzimmer dabei und sind unabhängig.

Todesmutig gingen wir dann in die Beiz um etwas zum Essen. Die Leute waren extrem nett und freundlich und wohl auch ziemlich erstaunt, dass sich „forenschis“ zu ihnen verirrt hatten. Wir erhielten dann ein Eisandwich und nach dem Essen durften die Kinder fernsehen gehen. Erich und ich tranken noch einen Kaffee und kamen mit zwei Einheimischen vom Nebentisch ins Gespräch. Sie wollten uns unbedingt zu einem Bier einladen. Kurz: Aus einem Bier wurden für Sandra 4 und Erich geschätzte 20. Als verantwortungsvolle Mami habe ich ja immer die perfekte Ausrede, wenn es irgendwann mühsam wird. Schliesslich muss ich mich ja um die Kinder kümmern… Erich blieb noch lange bei ihnen sitzen und sie hatten scheints einen lustigen Abend.

Doch noch einen guten Abschluss von einem blöden Tag!


24. Mai: Danglo – Bahir Dar

Schon früh polterte jemand an die Tür: Wir haben ein anderes Auto eingeparkt und mussten Platz machen. Zum Glück ist Erich aber gut zwäg und ich muss nicht aus dem engen Zeugs rauszirkeln. Wir fahren dann auch gleich los und frühstücken unterwegs etwas. Wie oft sind wir innert kürzester Zeit und Menschenmassen umzingelt und werden bestaunt und verhandelt. Jede Handbewegung wird kommentiert. Aber eigentlich ist das gar nicht so schlimm. Wenn man ihnen klar sagt, wo die Grenze ist, wird die auch akzeptiert. Einfach wenn man draussen pinkeln muss wird’s schwierig: Wir Mädels rüsten jeweils schon im Auto drin das WC-Papier, während Erich einen ruhigen Ort sucht. Sobald er anhält, springen wir raus und erledigen unser Geschäft. Meist sind wir knapp fertig, wenn die ersten Zuschauer schon da sind. Den Jungs ist das ziemlich egal, die markieren einfach den nächsten Busch und stören sich nicht so sehr an den Zuschauern…

Am späten Vormittag kommen wir in Bahir Dar an. Wir wollen heute zu den „Blue Nile Falls“. Der Nil hat zwei grosse Arme, den Weissen und den Blauen Nil. Die beiden treffen dann in Khartoum zusammen, wo sie den Nil ergeben. Der Blaue Nil begleitet uns jetzt schon ein paar Tage und wir wollen die dazu gehörigen Wasserfälle anschauen gehen.

Es wird ein schöner Ausflug und wir wandern endlich auch wieder einmal ein wenig. Wir sind zwar ganz schön ausser Puste und wir wollten es ja auf die Höhe als Ausrede schieben. Hier sind wir aber nur noch auf 1600 müM (das höchste war etwas über 3000 Meter gestern). Die Fotos findet ihr hoffentlich schon bald im Äthiopienalbum.

Nach dem Ausflug geht’s zurück nach Bahir Dar, wo wir im Ghion Hotel einen überschaubaren Platz zum Stehen finden. Wieder nehmen wir ein Zimmer um zu duschen. Auch hier gibt es wieder mal kein warmes Wasser.

Lara sorgt dann noch für eine Schrecksekunde: Sie hat sich im Zimmer eingeschlossen, als sie zur Toilette ging und schaffte es dann nicht mehr, die marode Tür wieder zu öffnen. Also probierte sie es mit Kraft und brach prompt den Schlüssel entzwei. Völlig in Tränen aufgelöst kam sie zurück, nachdem sie aus dem Fenster rauskletterte, um das Missgeschick zu beichten. Erich machte sich dann mit Werkzeug zum Zimmer auf und schaffte es irgendwie, die Türe wieder zu öffnen. Nun kann zwar nicht mehr abgeschlossen werden aber so wichtig ist das nicht, weil wir eh alle im Schtudegumper schlafen wollen.

Gegessen wird wieder mal Auswärts, bei den Preisen hier kostet das Gas mehr als ein Essen für die ganze Familie. (ok, faule Ausrede, aber tönt doch unglaublich gut, oder? Und das Essen schmeckt meist sehr gut, auch wenn uns die Gewürze immer noch fremd sind)


25. Mai: Bahir Dar

Ein Ruhetag ist angesagt! Ich muss schon wieder waschen und es sieht im Moment nicht nach Regen aus. Erich werkelt am Schtudegumper und die Kinder machen Schule. Reisealltag und entspannend! Zwischendurch probiere ich, der Cornerbank und der CH-Botschaft in Khartoum ein E-Mail zu senden. Nach eineinhalb Stunden sind die zwei Mails geschafft. Nein, ich habe inzwischen keine Schreibblockaden entwickelt und brauche auch nicht stundenlang an drei Sätzen – die Verbindungen waren einfach wieder mal lausig…

Am Nachmittag wollten wir ein wenig die Stadt erkundigen und vor allem schauen, ob Erichs Mastercard noch funktioniert. Die haben wir bisher noch nie gebraucht und er war sich nicht abschliessend sicher, welchen Pincode er hat. Nein, keine Angst! Alles lief gut und wir haben wieder Bargeld.

Während Erich diverse Pins ausprobierte, kaufte ich bei einem Strassenjungen Papiertaschentücher. Ich fragte ihn dann, ob er wisse, wo ich hier Toilettenpapier kaufen könne. Jaja, Toilettenpapier gibt es nicht einfach so in einem Laden zu kaufen. Da muss man sich schon ein wenig anstrengen! Der Junge, Mulu, sagte, er wisse, wo ich das kriegen könne. Wieviel mich diese Auskunft kosten würde, fragte ich. „But Madam! Sie haben doch gerade Taschentücher gekauft, da verlange ich nichts dafür!“ Naja. Mal sehen. Sind ja nicht gerade erst gestern angekommen und nicht mehr wirklich vertrauensselig (ausser, wenn jemand fremdes im Studi ist, dann machen wir eine Ausnahme. Aber das ist nur eine Randbemerkung und gehört jetzt grad gar nicht hierhin hihi)

Mulu führt uns also in eine Art Supermarkt und wir finden allergattig – aber halt kein WC-Papier. Dafür haben sie hier Mars und Snickers. Und wieder einmal liegen die Prioritäten der Kinder nicht haargenau auf meiner Linie. Als ich Mulu einen Riegel als Dank kaufen wollte, lehnte er dankend ab. Das sei nicht gut für die Zähne, aber er danke mir viel mal für das Angebot. Ich denke, in dem Moment habe ich zum ersten Mal in Erwägung gezogen, den Bengel zu adoptieren.

Wir liefen dann weiter durch die Stadt und Mulu begleitete uns und zeigte uns, wo wir Kaffee kaufen können. In einem Restaurant wollten wir etwas trinken und wir luden Mulu ein, sich uns anzuschliessen. Er fragte dann, ob er nicht vielleicht statt etwas zu trinken, etwas zu Essen haben dürfte, er habe heute noch nichts gegessen. Das sagte er nicht etwa in einem jammernden Ton oder anklagend oder so. Einfach sachlich. Er hatte noch nichts zu essen. Na und? Ist einfach so. Gerade diese Art, es zu sagen hat uns wohl am meisten schockiert. Klar durfte er etwas essen und wir waren alle irgendwie sprachlos, ihn so reinschaufeln zu sehen.

Da reisen wir nun schon so lange durch Afrika. Wir wissen, dass wir unglaublich privilegiert sind. Wir wissen, dass es viele Menschen gibt, die sich mit fast nichts durchs Leben schlagen. Fast immer haben wir bettelnde Kinder weggescheucht. Wer weiss denn schon, ob sie einfach so betteln oder wirklich bedürftig sind... Wir sind überheblich geworden. Etwas Besseres. Wir können uns überall und jederzeit – fast – alles kaufen was wir wollen. Wir verschliessen die Augen vor der omnipräsenten Armut. Legen uns „Ausreden“ zurecht. Wir können ja nicht allen helfen. Wo anfangen? Afrika ist ein Fass ohne Boden. Diesem Kontinent IST nicht zu helfen. Wir reisen also glücklich durch all diese schönen Länder, leben im Verhältnis wie die Könige, geniessen all die Sehenswürdigkeiten und ein kleiner Junge bringt uns im Nullkommanichts auf den Teppich zurück.

Auf unsere Frage, wie alt er sei meinte er, er wisse es nicht genau. Seine Mutter habe gesagt etwa so 13 aber das könne er nicht genau sagen. Ich habe ihn von der Grösse her auf etwa 10 geschätzt.

Da wir immer noch kein Toilettenpapier gefunden hatte, gaben wir Mulu Geld mit der Bitte, weiter zu suchen und es uns dann später ins Hotel zu bringen. Freudestrahlend nahm er den Auftrag an und wir haben nicht eine Sekunde gezweifelt, dass er zurückkommen würde.

Zurück beim Camp haben wir dann Denise und Roland angetroffen. Sie sind im selben Camp gelandet wie wir, waren aber am Verhungern und wollten direkt etwas essen gehen.

Wir waren nicht so pressiert und genossen das Nichtstun und warteten auf den Abend um wieder auswärts essen zu gehen. Es ging nicht lange, da war Mulu zurück. Mit 10 Rollen der heissbegehrten Ware! Die Kinder haben dann alle zusammen Fussball gespielt und als es Zeit war, zum Nachtessen zu gehen, nahmen wir Mulu selbstverständlich mit. Das Hotel „Bahir Dar“ war dann kulinarisch nicht ein absoluter Höhepunkt unserer Reise, lustig war es auf alle Fälle! Ich habe nämlich einen gemischten Salat bestellt und freute mich schon sehr auf das vermeintliche Grünzeugs. Der gemischte Salat entpuppte sich dann als ein Teller mit Reis, gebratenen Kartoffeln und einem Krautmischmasch. Alles warm notabene. Auf meine Frage, ob DAS Salat sei, strahlte der angesprochene und antwortete mit Yes Madam. Ok. Hunger ist der beste Koch. Zur Hauptspeise gabs dann gebratenen Fisch. Ratet, was es als Beilage gab: Ja genau. Reis, Kartoffeln und Kabis-Gemüse. Siehe oben.

Die Kinder assen – respektive, bestellten – Hamburger, Erich und Mulu assen Injeera. Die hat von allen Gerichten übrigens am besten geschmeckt. Leo so gut, dass er seinen Burger völlig ignorierte, den Mädels war es ebenfalls zu scharf. Die Beilage: siehe oben. Grins.

Lange Rede kurzer Sinn: Die Teller waren nach dem Essen immer noch ziemlich voll. Mulu fragte dann den Kellner, ob er einen Plasticksack haben könne. Er packte dann alle Reste kreuz und quer in den Sack und erzählte uns, dass er viele Freunde habe, die nicht solches Glück haben wie er. Und wenn er nicht teile, würde er Probleme „with him upstairs“ also mit ihm oben bekommen. Es dauerte eine Weile, bis wir begriffen haben, dass er von Gott spricht. Mulu ist sehr gläubig und es war noch interessant mit ihm zu diskutieren und seine Beweggründe zu verstehen. So beim Reden mit ihm hat man dann schon gut gemerkt, dass er schon älter ist, obschon er nur etwa einen Kopf grösser ist als Leo. Nach dem Essen verabschiedeten wir uns von dem netten Jungen und verabredeten uns für morgen.

Es war eine extrem eindrückliche Begegnung und die Gedanken an ihn liessen mich lange nicht einschlafen…


26. Mai: Bahir Dar – Gonder

Vor lauter Erzählen von unserer Begegnung mit Mulu habe ich ganz vergessen zu erwähnen, dass wir Cécile, eine allein reisende Französin kennenlernten. Ansich nicht das Ende der Welt, aber deshalb erwähnenswert, weil sie uns heute begleitet. Sie will ebenfalls nach Gonder und das reisen mit öffentlichen Verkehrsmittel und als Frau alleine unterwegs ist nicht immer nur entspannend. Also haben wir heute einen Reisegast.

Vorher trafen wir unseren Freund Mulu wieder und assen gemeinsam Frühstück mit ihm. Wir gaben ihm dann noch ein paar Dinge mit, die er sicher brauchen kann. Er fragte dann ganz scheu, ob er vielleicht mit uns bis über die nächste Kreuzung hinaus mitfahren dürfe. Es habe da bei den Strassenkindern eine Gang, die immer die jüngeren ausrauben wenn die was erhalten würden. Klar durfte er und der Abschied von ihm fiel uns allen nicht leicht. Vor allem für Leo war es recht schwierig, die beiden haben Freundschaft geschlossen und Leo hat ein neues Vorbild. Lange, lange nicht das schlechteste!!! Ich hoffe sehr, dass wir es schaffen, weiterhin mit dem Jungen Kontakt zu halten und hoffen von ganzem Herzen, dass er irgendwie seinen Weg machen wird.

Die Fahrt nach Gonder ist dank Cécile interessant. Sie weiss viel von ihren Reisen zu erzählen und so vergeht die Zeit schnell.

In Gonder angekommen machen wir uns auf die Suche der Belegez-Pension. Die ist schnell gefunden, das parkieren wird aber zur Herausforderung. Wir sind halt schon einfach gross mit unserem Laster und brauchen fast den ganzen Platz für uns. Denise und Roland haben aber auch noch knapp Platz… Zum ersten Mal seit langer Zeit funktioniert hier das Warmwasser und wir duschen alle ausgiebig. Bei nur kaltem Wasser geht die Duscherei immer sehr schnell vonstatten. Und übrigens: Es darf uns für sehr lange Zeit niemand mehr als Warmduscher betiteln!

Am Abend gehen wir alle zusammen Nachtessen und dank der sehr kühlen Nacht kuscheln wir uns schnell in die warmen Betten. Ich kann mir fast nicht vorstellen, wie wir diese Reise ohne unsere warmen Bettdecken überstanden hätten!


27. Mai: Gonder - Gorgora

Heute steht Kultur auf dem Programm. Hier in Gonder hat es eine schöne Festung die man besichtigen kann. Unser Führer Philemon hat zwei Jobs. Zum einen arbeitet er im Beleguez, zum anderen macht er als offizieller Guide auch Touren durch die Festungsanlage. Praktisch für uns und wir geniessen seine Führung sehr. Er spricht sehr gut Englisch, sogar die Kinder verstehen ihn recht gut. So lange es sie interessiert. Grad bei Leo müssen wir am Kulturverstehen noch ein wenig arbeiten ;-)

Denise und Roland gehen dann auch noch die Bäder und eine Kirche mit ihm besichtigen, aber wir anderen hören nach der Festung auf. Zurück bei der Pension angekommen entschliessen wir, noch heute zu Tim und Kim nach Gorgora zu fahren. Zufälligerweise ist Kim auch grad in der Pension und sie freut sich auf neue Gäste. Wegen dem Regen hatten sie in der letzten Zeit nicht so viele Gäste. Tim und Kim sind zwei Holländer die nach langen Reisen in aller Herren Länder einen Platz suchten um etwas sinnvolles zu tun. Also haben sie im Norden Äthiopiens am Lake Tana aus dem Nichts eine Ferienanlage aus dem Boden gestampft. Das klingt jetzt so als nichts – in Tat und Wahrheit war und ist es pickelharte Arbeit. Das Resultat kann sich aber sehen lassen, wie wir nach nur 60 Km Fahrt selber feststellen durften. Siehe auch timkimvillage.com

Schnell fanden wir einen schönen Stellplatz am See und richteten uns gemütlich ein. Auch hier ist es empfindlich kühl und auch der Regen lässt nicht lange auf sich warten. Es ist wirklich unglaublich, aber wir werden jetzt schon seit 7 Monaten vom Regen verfolgt! Es ist eine grosse Ausnahme, wenn wir mal eine Woche am Stück trocken bleiben. Auf alle Fälle kann ich mich unmöglich daran erinnern, wann wir das das letzte Mal hatten!

Wie auch immer. Dieses Wissen wird uns zu Hause das Wiedereinleben definitiv erleichtern. Wir werden für alle Zeit wissen, dass es in Afrika nicht einfach nur heiss und sonnig ist. Oh nein. Das ist es nicht. Übe mich grad im positiven Denken ;-)

Wir sind grad schön eingerichtet, da hupt es oben an der Strasse. Das rote Matatu kennen wir doch? Es sind Adi und Bruno, die beiden sind heute in Lalibela gestartet und auch hier gelandet. Afrika ist ein Dorf!

Bei Tim und Kim essen immer alle zusammen und Kim bereitet mit ihren Angestellten jeweils ein Nachtessen zu. Wir schliessen uns an und verbringen einen schönen und interessanten Abend.


28. Mai: Gorgora

Ein Ruhetag! Wir verbringen viel Zeit mit lesen und ausruhen. Am Nachmittag geht Erich mit Leo fischen, die beiden sind aber nur mässig erfolgreich. Am Abend wieder Nachtessen im Restaurant und wieder verbringen wir vergnügliche Stunden alle zusammen. Denise und Roland kommen schlussendlich nicht, sie werden direkt in den Sudan fahren.


29. Mai: Gorgora

Happy Birthday lieber Daddy! Wünschen auf diesem Weg nur das allerbeste und hör auf mit Längi Zyt haben, wir kommen ja schon bald wieder!!!

Sollen wir bleiben oder gehen? Unser Visum läuft morgen ab und so knapp waren wir noch nie dran. Äthiopien hat uns einfach viel zu gut gefallen und mit dem jetzigen Wissen würden wir jederzeit versuchen, ein längeres Visum zu erhalten. Aber eben. Hinterher ist man immer schlauer!

Diesmal ist die Familienabstimmung einstimmig: Wir gehen das Risiko ein und verlängern noch einen Tag. Schliesslich ist das hier einer der schönsten Plätze überhaupt an denen wir verweilen durften. Unser Schtudegumper hat uns bisher noch nie wirklich im Stich gelassen, der wird das auch morgen nicht tun. Die Grenze ist nur etwa 200km entfernt und für uns Overlander ist das schon lange kein Hindernis mehr. Also verbringen wir noch einen Ferientag im Feriendorf und lassen es uns gut gehen. Erich geht mit den Kindern fischen und diesmal sind sie dank Tim’s Tipps auch erfolgreich: Mit Brot fängt man einen kleinen Fisch. Der kleine Fisch benutzt man als Köder und damit fängt man dann den grossen Fisch. Voilà, gar nicht so kompliziert die Geschichte.

Vor allem Leo war völlig aus dem Häuschen und verbrachte Stunden mit überlegen, wie man den Fisch zubereiten könnte ;-) Da sie aber zuwenig für alle gefangen hatten und wir eh wieder im Restaurant assen, wurde der Fisch ausgenommen und erst mal im Kühlschrank verstaut.

Am Abend ein sms von Myriam. In unserem Briefkasten lag Post von der Cornerbank. Jetzt haben doch diese Vollidioten unsere Visa tatsächlich nach Hause gesendet! Späte Rache, weil ich den Typen am Telefon so angefeilt habe oder schlichte Inkompetenz? Und wir jammern über die Bürokratie in Afrika???

Unsere gute Seele zu Hause wird uns nun die Karte via DHL nach Khartoum senden. Was würden wir bloss ohne sie tun???


30. Mai: Gorgora – Busch kurz nach Metema

Schweren Herzens hiess es heute Morgen wieder einmal Abschied nehmen. Es hat uns hier super gut gefallen und wir haben Kim und Tim schnell in unsere Herzen geschlossen. Wir drücken ihnen ganz fest die Daumen, dass sie ihr Projekt wie geplant weiterführen können!

Auch von Adi und Bruno haben wir uns wieder einmal verabschiedet. Wir werden die beiden einfach nicht mehr los, grins. Nein, ist natürlich Quatsch! Es sind angenehme Gesellen und sie spielen auch gerne mit den Kindern, wir mögen die beiden richtig gut! Wir hoffen, die beiden in Khartoum wieder zu sehen. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg und wir müssen endlich los, sonst werden wir wohl zum ersten Mal wirklich Probleme haben mit Immigration, Polizei und wer auch immer ein Wort in Sachen Touristen die sich illegal im Land aufhalten zu sagen hat…

Wir fahren also bis knapp vor Gonder zurück und nehmen dann den Abzweiger in Richtung Sudan. Mir ist während der Fahrt so richtig wehmütig zu Mute. Äthiopien ist für mich das letzte Land Afrikas, im Sudan erwartet uns wieder die Arabische Welt. Schwarzafrika wird nun hinter uns liegen und es steht in den Sternen, ob wir je wieder hier her zurückkommen können. Äthiopien kämpft bei der Beliebtheitsskala mit Namibia. Und das will eigentlich etwas heissen, denn Namibia war IMMER die Nummer eins für uns. Eigentlich ist es doch schön, dass wir diese beiden Länder bereisen durften. Welches nun schöner oder besser war ist unter dem Strich überhaupt nicht wichtig!

Wir erreichen die Grenze bei Metema erst gegen halb vier. Wir hatten zwar keine Probleme unterwegs, aber Äthiopien hat uns verabschiedet, wie es uns willkommen hiess: Viele Hügel, viele Kurven und unendlich viel zu sehen und zu staunen. Da kann man nicht einfach mit 70km in der Stunde durchbrettern…

Die Grenzabfertigung aus Äthiopien ging recht schnell für Afrikanische Verhältnisse. Die Einreise in den Sudan war dann schon um einiges Zeitintensiver. Wir wussten aber, dass wir es irgendwann irgendwie schaffen werden…

Was uns am allermeisten erstaunte: Sudan empfängt uns mit fast 40 Grad! Klar, wir wussten, dass Sudan eines (oder DAS?) der heissesten Länder der Welt ist. Aber dass es fast tatsächlich an der Grenze schon so warm ist, hätten wir so auch nicht gedacht. Ich meinte wirklich, dass wir die ersten paar hundert Kilometer im Sudan dann je länger je wärmer bekommen aber auf einen so abrupten Temperaturwechsel hätte ich im Leben nie gewettet.

Bis dann auch der allerletzte Globi seinen Stempel auf unseren diversen Papieren geknallt hat, war es schon 18 Uhr. So spät sind wir sonst nie noch unterwegs! Zum Glück fanden wir recht schnell ein Buschcamp und genossen einen schönen Abend endlich wieder einmal in der Wüste!


31. Mai: Metema – irgendwo im Busch auf halber Strecke nach Khartoum

Die Sonne und die Hitze weckten uns schon früh. Dennoch genossen wir ein ruhiges Frühstück und machten uns dann bald einmal auf den Weg in Richtung Gedaref. Dort wollten wir uns eigentlich registrieren lassen. Im Sudan sind nämlich nicht wie in allen anderen Ländern nach Abfertigung des Zolls die Einreiseformalitäten erledigt. Nein, man muss sich innert drei Tagen auch noch bei einer anderen Behörde registrieren lassen. Wie genau diese Behörde aber heisst wissen wir nicht. Wir wissen einfach, dass man sich bei der Polizei melden soll, denen sagt, dass man sich registrieren lassen will und dann passe das schon.

Das wollten wir nun also in Gedaref in Angriff nehmen. Es dauerte eine gute Stunde (…) bis wir endlich die für uns verantwortliche Polizeidienststelle ausfindig gemacht hatten. Der Globi da spricht aber kein einziges Wort Englisch und unser Arabisch ist auch nicht grad auf dem allerletzten Stand. Zum Glück ist da aber noch ein anderer der ein paar Brocken Englisch spricht und wir reden mit Händen und Füssen. Nützt alles nichts. Als nämlich der erste Globi realisierte was wir wollen, und dann auch noch die Frechheit besassen, ihn zu fragen, was denn dieser Stempel kosten würde, hat er uns kurzerhand nach Khartoum geschickt. Erich meinte dann, dass er schlicht keine Ahnung hatte, wieviel er verlangen müsse und hat uns lieber weggeschickt als einen Fehler zu machen. Auch eine Möglichkeit, oder? Auf unsere Frage, wo wir uns den in Khartoum hinwenden müssen konnte er uns keine Antwort geben. Also zogen wir unverrichteter Dinge wieder ab.

In der Stadt haben wir dann aber noch was gegessen und getrunken. Danach gingen Yelena und ich Brot kaufen. Wie gesagt, Arabisch sprechen wir nicht. Aber auf Brot kann man zeigen. Der Araber nimmt 4 Brote (so wie grosse Weggli, aber flacher) in die Hand und zeigt einen Finger auf. Sandra versteht natürlich überhaupt nichts und denkt, dass ein Brot 1 Sudanesisches Pfund kostet. Was ja jetzt nicht der Hammerpreis wäre (3 Pfund sind 1 Franken). Also strecke ich ihm 10 Pfund hin. Mein Lieblingsaraber fängt an zu strahlen, geht nach hinten und kommt mit einem grossen Plasticksack zurück und fängt an, Brot hineinzuschaufeln, was das Zeug hält. Yelena zählt mit und ich muss einfach nur noch kichern und versuche, ihn davon abzuhalten den Sack zu füllen. Ja. 4 Brote kosten ein Pfund. Das weiss ich jetzt auch!

Ausserhalb der Stadt tanken wir noch. Hier fägt tanken sehr! Ein Liter Diesel kostet 50 Rappen. Da kann unser Studi saufen soviel er will, hier im Sudan tut das nicht weh!

Am späten Nachmittag suchen wir wieder ein Buschcamp und finden auch schnell einen schönen Platz. In freier Natur zu übernachten ist hier absolut kein Problem und überall möglich. Am Abend bekommen wir Besuch von ein paar Schafhirten die uns mit Händen und Füssen zu verstehen geben, dass sie gerne etwas essen möchten. Wir geben ihnen gerne ein wenig Gemüse ab. Und dann ist da ja noch Erichs und Leos Fisch! Ob der mittlerweile wieder zum Leben erwacht ist und uns davon läuft wenn er aus dem Frigor befreit wird? Auf alle Fälle getraue ich mich nicht so wirklich, ihn für uns noch zu kochen. All die schönen Pläne von Leo, wie das Tier verspeist werden könnte haben sich also in Luft aufgelöst. Dafür hat jetzt ein Sudanesischer Hirte entweder einen vollen Magen oder fürchterlich den Durchfall. Wir werden es nie erfahren ;-)


1. Juni: Busch – Khartoum

Wir haben alle eher schlecht als recht geschlafen. Es ist einfach viel zu heiss! Ja, ich weiss! Da jammere ich monatelang, weil es so kalt ist und immer nur regnet. Und dann geht das gejammere gleich weiter, weil es jetzt wieder zu heiss ist. Nun denn. Ich bin eine Frau und wir MÜSSEN jammern. Das ist ein Naturgesetz! Aber im Ernst jetzt! Es ist wirklich, wirklich, wirklich heiss! Den Tag durch erreichen die Temperaturen locker die 45 Grad Marke, manchmal sogar noch drüber, wenn wir irgendwo eine Pause machen und einen Moment lang nicht fahren. Des Nachts kühlt es nie unter 35 Grad ab und das muss man erst einmal ertragen. Nämlich!

Die Fahrt hinein nach Khartoum ist ziemlich mühsam. Die Araber fahren alle wie gestört. Nach den Verkehrsarmen Strassen Äthiopiens müssen wir jetzt wieder aufpassen wie verrückt. Da wird geschnitten, lebensgefährlich überholt und aufgefahren – das es nicht mehr schön ist!

Der anvisierte Blue Nile Sailing Club liegt direkt am Nil. Der Platz ist nicht wirklich toll. Es ist staubig, lärmig und die sanitären Anlagen sind auch nicht so prickelnd. Jänu. Dafür treffen wir Denise und Roland wieder, die kamen schon vor drei Tagen an und haben ein paar wertvolle Infos für uns was die Visabeschaffung angeht. Ausserdem treffen wir die beiden Schweden wieder, die wir in Nairobi kennenlernten.

Die Hitze und die Anstrengungen lassen null Raum um noch irgend etwas zu machen. Eigentlich sollten wir uns ja heute noch registrieren lassen, weil für uns heute der dritte Tag im Sudan ist. Denise erzählt uns aber, dass das Office bereits um 15 Uhr schliesst. Wir sind eh zu spät dran, also lassen wir es drauf ankommen. (Hmmm… Wie war das jetzt nochmal mit der Scharia? Stockhiebe? Die Hitze vernebelt unser Hirn und wir malen uns die schönsten Szenen aus, wer genau wieviele Schläge nimmt. Man hat ja sonst zu nichts Energie, ehrlich.)

Wir hängen nur noch herum und schütten literweise Wasser und Cola in uns hinein. Zu mehr können wir uns nicht aufraffen und wir hoffen auf eine kühle Brise, damit wir wenigstens einigermassen schlafen können.


2. Juni: Khartoum

Um gut schlafen zu können haben wir so einige Tricks auf Lager. Für Erwachsene: Alkohol. Dabei ist die Beschaffung im Sudan schlicht unmöglich, in Islamischen Ländern gibt es keinen zu kaufen. Wir haben noch ein paar kostbare Bier und die werden ganz streng reglementiert und im versteckten getrunken. Dann MIT den Kleidern duschen gehen. Mit den klitschnassen Kleidern ins Bett. Auch gut, klitschnasse Handtücher ins Bett nehmen und sich drauf legen. Oder dünne Tücher nässen und sich damit zudecken. Yelena hatte die ultimative Idee mit leeren Haarpflegemittel-Fläschchen. Die mit Wasser auffüllen und sich immer wieder damit einsprühen, bis man irgendwann einschläft…

Nein, man schläft nicht gut bei der Hitze… Heute Morgen gabs auch keinen Run auf die Toilette. Man kann trinken so viel wie man will, wir müssen fast nie pinkeln, sämtliche Flüssigkeit wird direkt wieder ausgeschwitzt!

Heute war ein anstrengender Tag: Wir mussten uns endlich bei der ALIEN Registrierungsbehörde offiziell anmelden gehen. Danach zur Jordanienbotschaft um das Visum zu beantragen. Das würde man zwar problemlos an der Grenze erhalten, da wir aber über Saudiarabien fahren und die das Visum vom Folgeland verlangen um das Visum auszustellen… Dann brauchen wir von der Schweizer Botschaft noch Empfehlungsschreiben eben für Saudi und für Syrien. Auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt und so nahmen wir die Sache in Angriff.

Es klappte fast alles. Nur bei den Schweizern ging gar nichts, die haben heute Feiertag. Einen Schweizerischen. Keine Ahnung, was es sein könnte. Auffahrt ist doch vor Ostern? Vielleicht Fronleichnam. Wenn der Botschafter katholisch ist? Egal. Wir standen auf alle Fälle vor verschlossenen Türen und jetzt müssen wir bis am Sonntag warten um weiter mit dem Visummarathon zu kommen. Freitag und Samstag sind sämtliche Behörden zu.

Bei der ALIEN hatten wir keine Probleme, obschon wir die drei-Tages-Frist überschritten haben. Entweder hat es niemand gemerkt, oder sie haben einen gewissen Spielraum. Das Jordanienvisum war sehr einfach zu erhalten, nach 2 Stunden haben wir einen neuen Kleber im Pass und die allerbesten Wünsche des Botschafters persönlich im Gepäck. Wir freuen uns schon sehr auf dieses Land!

Es wurde fast Abend, bis wir wieder im Camp zurück waren. Es war sehr anstrengend das Ganze. Wieder einmal waren wir sehr, sehr stolz auf unsere Kinder. Ohne gross zu murren haben sie das ganze Spiel mitgespielt und waren sehr brav!

Als die Sonne unterging haben sie dann auf dem Spielplatz des Clubs mit anderen Kindern gespielt und vor allem Lara hat schon wieder viele Freundschaften geschlossen. Auch Leo taut je länger je schneller auf und dirigiert die kleineren Kinder herum. Alles auf Englisch mittlerweile! Wir staunen immer wieder, wie schnell die Kinder die Fremdsprachen lernen und auch anwenden. Wir hoffen wirklich sehr, dass sie dann zu Hause nicht wieder alles vergessen werden! Um dem ein wenig entgegen zu wirken, haben wir entschieden, dass wir an einem Tag pro Woche nur englisch sprechen werden und auch diverse Filme im Original angeschaut werden. Mau luege, wie diszipliniert wir sein werden!


3. Juni: Khartoum

Erich und Leo haben auf dem Dach oben im Zelt geschlafen. Sie hatten immer mal wieder eine kleine Brise und haben scheints gut geschlafen ☺

Da es schon am frühen Morgen abartig heiss ist, geht Erich mit den Kindern in den Nil baden. Mir ist der Fluss aber zu dreckig und es grauselt mich ein wenig davor. Also schwitze ich lieber und gehe mich immer mal wieder unter der Dusche abkühlen. Das ist zwar auch Nilwasser, aber ich rede mir einfach ein, dass es ganz sicher ein wenig gefiltert ist. (Glauben versetzt ja bekanntlich Berge, oder?)

Was tut man sonst noch an einem Sonntag wenn es Freitag ist? Nein, wir gehen nicht in die Moschee, wir gehen in ein Shoppingcenter. Man hat uns gesagt, es sei auch am Freitag den ganzen Tag geöffnet. Als wir im Afra ankamen, mussten wir aber noch eine halbe Stunde in der brütenden Hitze warten, bis wir endlich hinein in den klimatisierten Himmel durften. Es war erst ab 15 Uhr offen… Zuallererst gönnten wir uns eine feine Glace. Ui, war das fein! Danach gingen wir bowlen. Leo hatte wie immer ziemlich Mühe mit verlieren und war recht frustriert, weil er die Kugeln nicht mit derselben Eleganz wie Pappi nach hinten beförderte. Aber irgendwann hatte er den Dreh raus und schaffte es immer mal wieder, ein paar von den weissen Dingern umzuknallen. Lara und Yelena hatten es recht schnell raus und wir hatten viel Spass dabei!

Dann ging es an ein extrem wichtiges Geschäft! Wir Mädels mussten uns Abayas kaufen. In Saudiarabien werden wir mit den schwarzen, langen Röcken und Kopftuch leben müssen. Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder uns ärgern und dagegen protestieren ODER die ganze Geschichte als eine Art frühe Fasnacht anzusehen und sich verkleiden und Spass haben dabei. Wir haben uns für die zweite Variante entschieden. Wir erwarten schliesslich auch von Ausländern in der Schweiz, dass sie sich anpassen. Also werden wir dasselbe als Gast in dem streng muslimischen Land auch tun. Wir sind jetzt stolze Besitzer von drei langen schwarzen Röcken und mussten uns Hilfe geben lassen, wie wir das Kopftuch richtig umbinden. Das wird schon ;-) Wir haben ja schon ganz andere Herausforderungen gemeistert!

Dann noch ein wenig Essen einkaufen und zurück ins Camp. Wieder den ganzen Abend total k.o. auf Stühlen sitzen und schwitzen. Lara und Leo lassen sich von der Hitze nicht so beirren und spielen wieder den ganzen Abend mit einheimischen Kindern.


4. Juni: Khartoum

Heute ist Wäsche waschen angesagt! Sogar Leo hilft dabei und wir von einem vorbei laufenden Araber sehr dafür gerühmt, dass er seiner Mutter helfe. Die Mädels beachtet er mit keinem Blick, obschon sie viel mehr arbeiten…

Jetzt wollen wir dann los, um eine lokale Simkarte kaufen zu gehen. Wir müssen ein paar Telefone führen, um in Suakin die Fähre über das rote Meer nach Saudi zu organisieren. Mit unserem Schweizer Handy würde das eine sehr teure Angelegenheit!

Es ist mühsam, so zum Warten verurteilt zu sein. Wir hätten das vielleicht umgehen können, wenn wir früher aus Äthiopien rausgefahren wären. Aber dann hätten wir die wunderschönen Tage in Gorgora nicht gehabt und das wäre definitiv schade! Also warten wir herum und schlagen den Tag tot. Morgen geht’s weiter mit Visum-Shopping und wenn alles gut geht, können wir am Mittwoch oder Donnerstag aus diesem Moloch wieder hinaus. Auch ausserhalb Khartoum wird es heiss sein, dafür aber sehr viel ruhiger!